Zufall?

Zufall?

Es geschah in der Vorweihnachtszeit und für Menschen, die mit dem Glauben an den, dessen Geburt in dieser Zeit entgegenfiebert wird, nichts am Hut haben, wird das nun Erzählte unter Zufall verbucht werden. An diesem Morgen waren die Straßen das erste Mal richtig glatt und die Fahrt zur Arbeit war zu einem Geduld- und Konzentrationstest geworden.
Die zähflüssige Autofahrt nutzte ich zum ausgiebigen Gebet, da ich überzeugt bin, dass Gott jeder noch so kleinen Bitte Gehör schenkt, nicht eine verloren gehen lässt und sie auf seine Art beantwortet. Den Beweis erhielt ich im Laufe des Tages. Abschließend bat ich den Herrn mir heute viele Menschen begegnen zu lassen, denen ich meinen Glauben in Worten und Taten bezeugen konnte. Nun saß ich bereits seit zwei Stunden in meinem Büro und arbeitete die anfallenden Aufgaben ab. Entlang des Gebäudekomplexes zog sich ein viel benutzter Rad- und Fußgängerweg hin. Da sich das Büro im Parterre befand und große Fenster sein Eigen nannte, war man den Blicken der Vorbei fahrenden – bzw. gehenden ausgesetzt. Die Mitarbeiter des Bauhofes hatten in der Nacht der Sorgfaltspflicht der Stadt Genüge getan und den Weg vor meinem Fenster durch Aufbringen von einem Salz-Splitgemisch befahr- und begehbar gemacht. Unser Firmensitz befand sich in der Nähe einer karitativen Organisation, die Wohnraum für Obdachlose, psychisch erkrankte und Alkoholiker einschließlich therapeutischer Begleitung zur Verfügung stellte. Deshalb war es normal, dass ab und zu eine Bewohnerin oder ein Bewohner an meine Scheibe klopfte und um ein wenig Geld bettelte. Je mehr es der kalten Jahreszeit entgegen ging, desto so höher wurde die Quote der Gestrauchelten, die mich per Fenster- klopfen kontaktierte. Mittlerweile war ich dazu übergegangen, dem einen oder anderen mit deutlicher Alkoholfahne eine Spende, mit dem Hinweis auf die Vielzahl der Bitten und dem Hilfsangebot bezüglich menschlicher Grundbedürfnisse der karitativen Organisation eine Straße weiter, zu verweigern.
Gerade hatte ich das Fenster geöffnet, um ein wenig Frischluft die Morgenmüdigkeit vertreiben zu lassen, da hörte ich ein schlurfendes, langsam näher kommendes Geräusch auf dem Weg vor dem Fenster. Vor meinem PC sitzend konnte ich aus den Augenwinkeln einen Mann in meinem Alter erblicken, der in diesem Moment auf seinem Rollator Platz nahm.
Sie kennen sicher dieses Gefühl, wenn man bemerkt, dass man gemustert wird. Ich blickte hoch. „Guten Morgen“! rief der Mann fröhlich und winkte zusätzlich noch mit hoch erhobenem Arm in meine Richtung. Ich antwortete genauso nett.
Der Mann stand auf und bewegte sich schwerfällig, ein Bein nachziehend, auf das geöffnete Fenster zu. „Sie scheinen ja ein richtig sympathischer Mensch zu sein. Ich heiße Michael, kannst Du zu mir sagen“, sagte er und reichte mir seine Hand durch das Fenster. Es war eine sehr verkrüppelte Hand, an der mehrere Finger fehlten. Ich gab ihm die Hand und nannte ihm meinen Vornamen und bat ihn ebenfalls mich zu duzen.
„Ja, so sieht das aus, wenn man Jahre lang dem Alkohol verfallen war. Der war auch Schuld an meinem Unfall, welcher mich so zugerichtet hat, aber seit langem schon trinke ich keinen Tropfen mehr“. Das glaubte ich ihm auch auf Grund der fehlenden Alkoholfahne aufs Wort. „Trotzdem“, fuhr er fort, „traue ich mich Sie zu fragen, ob Sie vielleicht fünfzig Cent für mich hätten, ich bin völlig abgebrannt diesen Monat und habe einfach ein wenig über meine Verhältnisse gelebt“. Was bedeutete wohl für diesen Menschen „über die Verhältnisse gelebt“ schoss es mir, bereits sicher ihm ein wenig Geld zu geben, durch den Kopf. Wie weit unten musste man angekommen sein, um sich zu trauen andere Menschen anzubetteln? „Hör mal, Michael“, hörte ich mich sagen, „wenn ich jedem, der hier an mein Fenster kommt, Geld geben würde, dann ginge ein großer Teil meines Lohnes nur dafür drauf“. Sofort wies mich eine innere  Stimme auf meine Übertreibung hin. Hör auf, dich in deinem Gutmenschentum zu suhlen, schien sie mir zuzuflüstern.
Michael antwortete: „Das verstehe ich, das sind bestimmt die noch süchtigen Leute aus dem Wohnheim hier um die Ecke, wo ich derzeit auch lebe. Aber versprochen, wenn du mir fünfzig Cent gibst, lass ich dich in Zukunft in Ruhe, ich habe ja nichts von Wert, was ich dir dafür geben könnte.“ Ich holte mein Portemonnaie heraus und gab ihm zwei Euro. „Alter, zwei Euro, ich danke dir, du bist ein netter Mensch“. Er winkte noch einmal und drehte sich mit seinem Rollator, auf Grund seiner schweren Behinderung, sehr schwerfällig wieder in Richtung des Fahrrad- und Gehweges. Plötzlich hielt er inne. „Halt“, sagte er und drehte sich noch einmal in meine Richtung, „ich habe ja doch etwas was ich dir geben könnte. In der Therapie malen wir Aquarelle. In den nächsten Tagen komme ich vorbei und dann bringe ich dir eines als Dank. Ist ein Bild von Jesus Christus, welches ich gemalt habe, vielleicht gefällt es dir, bis dann“, sprach er und verschwand langsam in der Ferne. Da rein gar nichts Äußeres auf meinen christlichen Glauben hinwies, war ich völlig verdutzt und sprachlos und mir fiel sofort mein morgendliches Abschlussgebet ein. Das nannte ich mal eine spontane Antwort.
Ohne dass ich es ahnte war ich Jesus begegnet, ohne dass ich es wirklich erwartete, hatte Gott mein Gebet um Begegnungen erhört.

Zufall?

Die besuchenswerte Sammlung an Gedichten, Denkanstößen und Geschichten von Herrn Wigge findet man auf seiner Webseite: https://was-ein-kind-braucht.jimdo.com/. Jeder, der die Botschaft von Jesus Christus in die Welt hinausbringen möchte, darf die Inhalte seiner Homepage (außer den Bibeltexten dort) zweckdienlich frei nutzen. Vielen Dank an Herrn Wigge dafür!

10 Kommentare (+deinen hinzufügen?)

  1. Andrea Posselt
    Okt 30, 2021 @ 18:23:25

    Ganz, ganz wunderbar. Gott auf so wundervolle Weise zu begegnen, mir kamen jetzt echt die Tränen.

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  2. autorin123
    Okt 05, 2017 @ 22:28:29

    Bekam eine Fehlermeldung, deshalb doppelt. Zufall? 😉

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  3. ingeborg7545
    Okt 05, 2017 @ 11:05:36

    Danke für diesen ansprechenden Text !
    Frage : ist das Jesusbild wirklich von diesem Mann ?
    Ja : Zufall ist wohl das, was uns von Gott her zufallen soll als Aufgabe …, so wir denn sehen und hören wollen !
    Einen gesegneten Tag mit „Zufall“ !!!
    ingeborg https://vietravailthiadiaye.wordpress.com

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    • christlicheperlen
      Okt 05, 2017 @ 22:29:48

      Hallo, nein, das Bild habe ich passend ausgesucht.
      Das sehe ich genau so: Zufall sind Aufgaben oder gute Gaben Gottes. Heute hatte ich eine Menge davon (von den guten Gaben), Gott sei Dank! Hoffe ich auch von allen Besucher/ – innen hier! Herzliche Grüße! 😀

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  4. autorin123
    Okt 05, 2017 @ 08:04:26

    Kein Zufall! Oder doch: Es fällt uns zu! 😇

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