Das Pfingstfest
Eine Geschichte aus dem “Christlichen Kinderfreund” des Waisenhauses in Halle von 1833 (Auch leicht verändert als Rollenspiel – PDF verfügbar)
Die Eltern des jungen Christian Ehrlich waren zwar arme Leute, aber im ganzen Orte lebte niemand glücklicher als sie. Sie hatten, außer ihrem ältesten Sohne, der acht Jahre alt war, noch vier Kinder, deren Ernährung ihnen herzlich schwierig ward. Dennoch sah man sie niemals missvergnügt und wer sie nicht näher kannte, der hätte glauben mögen, sie hätten alles vollauf. Wenn sich zuweilen die Leute darüber wunderten und den armen Ehrlich fragten, wie er bei seiner Armut so seelenruhig und vergnügt sein könne, so pflegte er die Antwort zu geben: „Liebe Nachbarn, ihr haltet mich für arm, aber sehet da – hier langte er seine Bibel hervor – hier habe ich meinen Schatz, den gebe ich für den Reichtum aller Welt nicht hin. Ihr solltet nur wissen, was mir alles die Bibel gibt. Ihr würdet euch nicht mehr wundern, mich so vergnügt und heiter zu finden.“ Solche Reden hatte nun unser Christian oft von seinem frommen Vater und der ebenso frommen Mutter gehört und das machte ihn um so begieriger, selbst eine Bibel zu haben. Denn seit Kurzem hatte er das Lesen angefangen.
Der Vater schien nicht eben besonders auf das Verlangen des Knaben zu achten, in der Stille aber kaufte er ihm eine schöne neue Bibel und diese ward ihm gerade am Pfingstfeste zu seiner unaussprechlichen Freude geschenkt. „Ich gebe dir“, sprach der Vater, indem er dem Knaben das Buch hinreichte, „das Kostbarste, was ein Mensch besitzen kann. Denn sieh, mein Sohn, dies herrliche Buch kommt nicht von Menschen, sondern von Gott, dem Allmächtigen, her. Darin redet er mit uns. Und wer den Unterricht zu Herzen nimmt, der ist schon hier auf Erden ein seliger Mensch und hat sichere Hoffnung, einst im Himmel ewig selig zu werden. Gebrauche nun dies liebe Buch, mein Sohn! Und aller Trost und aller himmlische Segen, den deine Eltern daraus schöpfen, der werde auch von dir darin gefunden.“ – Andächtig hörte der Knabe diesen Worten zu und gab dem Vater die Hand darauf, dass er Zeit seines Lebens das heilige Gottesbuch in Ehren halten wolle. Jetzt schlug der Vater in dem neuen Buche den Pfingstbericht auf, den ihm Christian vorlesen musste.
Vater: Da hast du gleich eine herrliche Geschichte gelesen. Was doch unser Herrgott aus armen, einfachen Menschen machen kann. Ich meine die Jünger unseres Heilandes.
Christian: Ich habe es schon gehört, es wären geringe Leute, Fischer und Zöllner gewesen.
Vater: Ganz recht. Aber was denkst du wohl von diesen schlichten Leuten, nach dem, was du soeben gelesen hast? Ich meine, ob du nicht vor ihnen weit größere Ehrfurcht hast als vor allen Reichen und Vornehmen?
Christian: Freilich, die Menschen wunderten sich auch wohl recht über sie, da sie so mit einem Mal anfingen, in fremden Sprachen zu reden.
Vater: Ja, wie kam es aber denn dazu? Hatten sie vielleicht die fremden Sprachen gelernt?
Christian: Davon hatten sie noch nichts gehört.
Vater: Du kannst es in der Bibel sehen, was es mit der Sache für eine Bewandtnis hatte. Es heißt: die Jünger wurden voll des Heiligen Geistes. Es ging also mit ihnen etwas Besonderes vor und zwar durch ein Wunder, das Gott an ihnen tat. Sie waren mit einem Male ganz andere Menschen. Aus schwachen Schülern wurden gewaltige Lehrer voller Weisheit, aus schüchternen, furchtsamen Leuten Helden, die vor keiner Gefahr erschraken, den Zorn der Gewaltigen verachteten und sich vor dem Hass der ganzen Welt nicht fürchteten.
Christian: Wurden denn die Jünger gehasst?
Vater: Leider wurden sie das, mein Sohn. Etwas Schlimmes erfuhren sie gleich, nachdem dieses Wunder an ihnen geschehen war und sie nun anfingen, die großen Taten Gottes zu rühmen. Da fanden sich, wie die Schrift erzählt, Spötter, die sagten, sie wären voll süßen Weins oder sie wären betrunken. Und nicht lange, so wurden sie, als wenn sie etwas Böses begangen hätten, vor Gericht gefordert und sogar geschlagen. Hätten sie nun nicht den Heiligen Geist bekommen, so würden sie gewiss bald allen Mut verloren haben. Dann wäre Jesus samt seiner Lehre vergessen worden und wir selber würden nichts vom Heilande wissen, der uns doch allein kann selig machen.
Christian: Aber wir hätten doch die Bibel.
Vater: Du meinst, wir würden Jesum und seine Lehre aus den Büchern der Evangelisten und aus den Briefen der Apostel, dass heißt: der Gesandten Christi, kennen. Aber, lieber Sohn, du musst hier nur bedenken, dass die heiligen Männer Gottes diese Schriften erst auf Antrieb des Heiligen Geistes und unter seiner Leitung geschrieben haben.
Christian: Das neue Testament ist also von Männern geschrieben, welche den Heiligen Geist bekamen?
Vater: Ja, mein Sohn. Und nun bedenke, wie viel wir diesen tapferen Gottesmännern zu verdanken haben, dass sie treu geblieben sind. Ja, es ist im Grunde der Geist Gottes, der durch die Männer in der Bibel zu uns redet. Gott selbst ist unser Lehrer in den Worten und wir sind seine Schüler.
Christian: Ach, wie lieb habe ich nun meine Bibel.
Vater: Du musst sie auch im ganzen Leben lieb behalten und als deinen köstlichsten Schatz betrachten. Wenn ich meine Bibel aufschlage, so denke ich immer: jetzt will dein Gott mit dir reden. So mache du es auch mein Sohn! Dabei bete herzlich, dass Gott dir zur rechten Erkenntnis helfen wolle. Dann wirst du aus dem heiligen Buch himmlische Weisheit lernen und wirst an deinem Herzen die Kraft des Heiligen Geistes erfahren. In der Liebe zu Gott und festem Vertrauen zu ihm müssen wir auch den Heiligen Geist bekommen, wenn wir Gottes Kinder heißen wollen. Denn so sagt die Schrift: Welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. (Römer 8, 14)
(Die Originalfassung wurde etwas von christlicheperlen gekürzt.)
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